Zuckerrohr in Brasilien

Reiseberichte aus dem Sanella-Album Mittel- und Südamerika

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- Onkel Tom, Fernandez der Plantagenbesitzer haben sich dann noch lange über Anbau und Ausfuhr des Kaffees unterhalten. "'O cafe da para tudo' - der Kaffee muß für alles herhalten", sagte der Brasilianer. Er bedeutete, nachdem der Gold und Diamantenrausch zu Ende war, den größten Reichtum des Landes. Aber eines Tages war es aus mit dem Wohlstand. Auch in anderen Ländern wurde Kaffee angebaut. Die Preise sanken. Brasilien hatte sich allzu einseitig auf die Kaffeeausfuhr verlassen. Was tun? Der Staat kaufte Millionen Sack Kaffee auf, um sie zu verbrennen oder ins Meer zu werfen, damit das Angebot verringert wurde. "Wir haben daraus gelernt", fuhr der Brasilianer fort. "Jetzt wird bei uns nicht mehr soviel Kaffee gebaut, die Preise sind wieder gestiegen. Dafür legen wir Baumwollpflanzungen an. - Ja, und zum Kaffee gehört der Zucker, nicht wahr, meine Herren. Auch den gewinnen wir in großen Mengen im Lande. Im Norden Brasiliens wird nämlich Zuckerrohr angebaut. Wie große Schilfwälder sehen die Pflanzungen aus. "Aber hat der Zucker Ihrem Land nicht auch schon einmal einen bösen Streich gespielt?" fragte Fernandez." "Gewiß, gewiß. Das war im 19. Jahrhundert, als vor allem in Europa zur Zeit der sogenannten Kontinentalsperre billiger Zucker aus der Zuckerrübe gewonnen wurde. Vorher hatte alle Welt den teueren brasilianischen Rohrzucker bezogen."

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"Der war aber so teuer, daß er z. B. in Deutschland in verschließbaren Zuckerdosen aufbewahrt wurde", sagte Fernandez. Ja, das weiß ich auch", warf ich ein, "meine Großmutter hat noch so eine Silberdose mit einem kleinen Verschluß gehabt." "Die europäische Zuckerrübe hat unser Land damals in große Not gebracht", fuhr der Brasilianer fort. "Wir wurden unseren teuren Rohrzucker nicht mehr los. Und wer, glauben Sie, hat uns gerettet? Der hier!" Er schüttelte den Zweig eines Kaffeestrauchs. "Der Kaffee wurde damals zum Retter Brasiliens. Seitdem baute Brasilien die gewaltigen Mengen Kaffee an. Wir haben aber, wie gesagt, inzwischen gelernt, daß es besser ist, sich nicht einseitig nur auf Kaffeeanbau oder Zuckerpflanzungen oder Goldfunde zu verlassen, sondern vielerlei anzubauen und auch eine eigene Industrie zu schaffen." 

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Die Portugiesen brachten die Zuckerrohrpflanze nach Südamerika und bauten sie bereits im 16. Jahrhundert in Brasilien an. Zuckerrohr war über nahezu 200 Jahre Anbau, Transport und Handel nach Europa die wirtschaftliche Grundlage der Kolonien und des Reichtums der Könige in Lissabon und Madrid, bis die ersten Goldfunde in Brasilien gegen Ende des 17. Jahrhunderts einen neuen Wirtschaftzyklus einleiteten.